Sprungmarken

Objekt des Monats Mai 2022 - Simone de Beauvoir „Die Unzertrennlichen“

Simone de Beauvoir „Die Unzertrennlichen“
Simone de Beauvoir „Die Unzertrennlichen“

Im Sommer 1953, als Simone de Beauvoir höchstwahrscheinlich schon an diesem Werk gearbeitet hat, hat sie mit ihrem Lebensgefährten, dem Philosophen Jean-Paul Sartre, Trier besucht. Sie erinnerte sich daran in ihren Memoiren „Der Lauf der Dinge“: „Sartre zeigte mir auf einer Anhöhe oberhalb Triers die Überreste des Stalags, in dem er gefangen gewesen war. Der Anblick machte großen Eindruck auf mich.“ In dieser Zeit beschäftigte sich die Schriftstellerin mit den Erinnerungen, die Sie lebenslang begleitet hatten und die sich in ihren verschiedenen Werken widerspiegelten. Das damals entstandene Buch, später als „Die Unzertrennlichen“ bekannt, war sehr intim und persönlich, deswegen blieb es mehrere Dekaden unveröffentlicht. Es war vermutlich Sartre, der der Autorin abgeraten hatte es zu publizieren.

Der autofiktionale Roman erzählt die Geschichte einer leidenschaftlichen jugendlichen Liebe in der konformistischen bürgerlichen Gesellschaft. Die junge Simone war in ein Mädchen verliebt, was zu damaligen Zeiten als sittenwidrig galt. Es mussten viele Jahre vergehen, bis das Manuskript einem breiten Publikum präsentiert werden konnte. Die Adoptivtochter und Nachlassverwalterin von de Beauvoir, Sylvie Le Bon de Beauvoir, hat diesen kurzen Roman nunmehr freigegeben und damit ein Zeichen gegen Homophobie gesetzt.

Wir möchten den Roman im Mai vorstellen, da am 17. Mai der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, kurz IDAHOBIT, begangen wird. Dieser Tag wurde ins Leben gerufen als Erinnerung an den 17. Mai 1990, an dem die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus der Liste psychischer Krankheiten gestrichen hat, vier Jahre nach dem Tod von Simone de Beauvoir. Zu ihren Lebenszeiten hat die Schriftstellerin über ihre Bisexualität geschwiegen, um einen Skandal zu vermeiden. Sie hatte genügend Erfahrungen mit schlechter Presse gemacht. Mit ihrem Buch „Das andere Geschlecht“ (Original: „Le Deuxième Sexe“) hatte sie schon im Jahr 1949 für Empörung gesorgt. Der Vatikan setzte das Werk auf den Index der verbotenen Bücher und auch in Russland war es verboten. Das Publikum hingegen hatte das Buch wertgeschätzt, die erste Ausgabe mit 20.000 Exemplaren war schnell verkauft und der Titel avancierte bald zu einem Standartwerk des Feminismus. Wie aktuell das Gedankengut von Simone de Beauvoir bleibt, zeigt die Ausstellung „Simone de Beauvoir und das andere Geschlecht“, die bis Mitte Oktober 2022 in der Bundeskunsthalle Bonn gezeigt wird und die ihrem Opus Magnum ein Denkmal setzt.

Auch in Trier wird die bekannte Autorin und Aktivistin im Herbst 2022 gewürdigt. Dies geschieht im Rahmen der Ausstellung und Veranstaltungsreihe „Pride für alle“ – ein Projekt des Queeren Zentrums Schmit-Z e.V., der Stadtbücherei und der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier. Das Projekt fördert die Anerkennung der treibenden Kraft der LGBTQ+ Community für den Abbau geschlechtlicher Stereotypen. LGBTQ+ ist eine aus dem englischen Sprachraum übernommene Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Queer mit einem Pluszeichen als Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten Zahlreiche aus dieser Community stammende Ideen tragen zur Demokratisierung unserer Gesellschaft bei. Die gleiche Botschaft geht aus dem Roman „Die Unzertrennlichen“ und anderen Werken von Simone de Beauvoir hervor: Traditionelle Geschlechterrollen legen uns fest, aber wir können ihnen neue Lebensentwürfe entgegensetzen und uns selbst bestimmen. „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es“, lautet ein emblematisches Zitat aus dem Meisterwerk von Simone de Beauvoir „Das andere Geschlecht“.