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Objekt des Monats Januar 2024 - 250 Jahre Caspar David Friedrich

Buchcover von Florian Illies: „Zauber der Stille : Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten“ (Foto: Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Trier, Anja Runkel)
Buchcover von Florian Illies: „Zauber der Stille : Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten“ (Foto: Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Trier, Anja Runkel)

Florian Illies schafft es, wieder eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen, über die wir uns mühelos in die Zeit von Caspar David Friedrich hineinversetzen können. Die alten Bekannten aus den letzten Werken von Illies, wie Walter Gropius oder Rainer Maria Rilke, die ihrerseits die Landschaften des Malers zu schätzten wussten, begleiten uns bei diesem Spaziergang. 

Besonders interessant sind das künstlerische Nachleben und die Rezeption von Caspar David Friedrich, die in seinem Fall besser mit dem italienischen Begriff fortuna critica ausgedrückt werden kann. Ob ein Maler anerkannt und erfolgreich ist und bleibt, hat etwas mit Glück zu tun, so etwa mit dem Glück die Gleichgesinnten zu finden und im Optimalfall einen Mäzen. Bei dem in Greifswald geborenen Maler müssen wir aber eher von Unglück sprechen. Seine Werke wurden durch die Mitglieder des preußischen Königshauses gekauft und bewundert, die Bilder wurden an den russischen Zarenhof verkauft, trotzdem ist Friedrich verarmt im Jahr 1840 in Dresden gestorben. „Um 1901 ist der Künstler in Deutschland komplett vergessen“ - schreibt Illies - „in fast keinem öffentlichen Museum hängt ein Bild von ihm und auch in seiner pommerschen Familie gilt er nur noch als der skurrile malende Vorfahr, der einst aus der Hansestadt nach Sachsen geflüchtet ist, weil er zu tollpatschig zum Seifensieden und Kerzenziehen war.“

Ironischerweise war es der norwegische Kunsthistoriker Andreas Aubert, der den wichtigen Künstler der deutschen Frühromantik entdeckte und sein Oeuvre und seine Bedeutung dem Publikum vor Augen führte. In der Zeitschrift „Kunst und Künstler“ veröffentlichte er 1906 einen Artikel über den Maler, im gleichen Jahr wurden die Werke des wiederentdeckten Friedrichs in der Jahrhundertausstellung deutscher Kunst in Berlin gezeigt. 1915 publiziert Aubert die erste Monografie über den Greifswalder Maler, seitdem schien die fortuna critica (Unglück) doch zu fortuna zu werden. Zum 200. Geburtstag des inzwischen sehr berühmten Malers zeigten Museen in Hamburg, Dresden und Leipzig Ausstellungen. Die erste Ausstellung in Amerika fand im darauffolgenden Jahr statt und bezeugte so das steigende Interesse weltweit. 

Dazu muss man sagen - und das macht Illies meisterhaft -, dass der Weg zur Anerkennung nicht problemlos war. Im Nationalsozialismus wurde Friedrich als „blond, charakterfest und kämpferisch“ gefeiert (in Wirklichkeit war er rothaarig, depressiv und lebte eher zurückgezogen). Die propagandistische Vereinnahmung des Malers, der die vermeintliche Essenz der deutschen Landschaft malen konnte (hier stimmt es teilweise: Friedrichs Bilder sind oft eine idealisierte Zusammensetzung verschieden Elemente, seltener eine treue Wiedergabe eines konkreten Ortes), hatte Konsequenzen nach 1945: der größte Maler der Romantik wurde nicht mehr so gern ausgestellt. 1947 wurde Friedrich zum zweiten und letzten Mal in Deutschland wiederentdeckt: mehrere Hundert Menschen besuchten die in der DDR und der BRD präsentierten Ausstellungen. Auf beiden Seiten der Mauer wurden die Briefmarken gedruckt.

Florian Illies, der bekannt dafür ist, sich mit einzelnen Jahren des Kulturlebens zu beschäftigen, zum Beispiel „1913: Der Sommer des Jahrhunderts“, oder Zählungen mit festgelegten zeitlichen Rahmen (Liebe in Zeiten des Hasses. Chronik eines Gefühls 1929-1939), hat sich diesmal gegen eine chronologische Reihenfolge entschieden. Stattdessen ordnet er das Leben, die Werke und das Nachleben von Caspar David Friedrich den vier Elementen zu.

Die Erzählung mäandriert so durch Raum und Zeit, die Kunst und die Person des Malers kommen dem Lesenden sehr nahe. Der Autor hat das Buch genau an den Orten geschrieben, wo Friedrich die meiste Zeit verbracht hat. Nach dieser Lektüre bleibt nur ein Besuch einer oder mehrerer Ausstellungen zu empfehlen, um einerseits den Maler in persönlicher Begegnung zu erleben und andererseits auf die weiteren Werke von Illies zu warten. Im Jahr 2025 erwarten uns weitere wichtige Jubiläen der Kunst- und Literaturwelt: Rainer Maria Rilke (150. Geburtstag) und Joseph Mallord William Turner (250. Geburtstag) - der Erfinder des Lichts. Ich hoffe, dass Florian Illies, der die beiden Künstler in „Zauber der Stille“ nennt, ihnen im nächsten Jahr ebenfalls Aufmerksamkeit widmen wird. Vor allem J.M.W. Turner, weil das könnte dann bedeuten, dass er uns bei einem Spaziergang durch Trier begleitet, da Turner die Moselstadt mehrmals besucht hat.